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Das dreizehnte Bild

Es war spät geworden. Dagmar Feldhofer blickte auf die kleine Uhr im Armaturenbrett. Es war kurz vor Mitternacht. Nervös zündete sie sich eine Zigarette an. Die Zeit schien ihr davonzulaufen. Sie war erfüllt von einer tiefen inneren Anspannung. Sie wusste nicht warum, denn ihr Plan war aufgegangen. Sie hatten bekommen was sie wollten. Und niemand hatte sie gesehen. Dessen war sie sich sicher. Das Interview als Erklärung für ihre Anwesenheit in der Nähe der Villa zu nutzen, war eine blendende Idee von ihr gewesen. Das war genial. Dagmar blickte auf den silbernen Koffer neben ihr auf dem Beifahrersitz. Der Schlüssel zur Glückseligkeit.
Sie rief sich sein dämliches Gesicht ins Gedächtnis. Die Fragen hatten ihn aus der Fassung gebracht. Jeden Moment des Gespräches hatte sie aufgezeichnet. Sie wusste, dass sie sich auf die Qualität des Bandgerätes verlassen konnte. Jedes einzelne Wort war darauf gespeichert, jede einzelne Beschimpfung, jede Nuance der veränderten Tonlage, als sie ihn mit seiner Vergangenheit und der Gegenwart konfrontierte. Warum sollte sie nicht ihre Macht auskosten und mit ihm spielen. Oder war sie am Ende zu weit gegangen? Aus dem kultivierten und weltgewandten Mann war ein stotterndes und schnaubendes Walross geworden. Er hatte ihr die übelsten Drohungen und Beschimpfungen nachgerufen, als sie gegangen war. Aber was konnte er ihr schon anhaben. Jetzt, nach alledem.
Sie blickte durch die verschmierte Windschutzscheibe auf die schwarze und einsame Landstraße. Wie leuchtende Finger tasteten sich die Lichtstrahlen durch die Dunkelheit. Dagmar griff in die Ablage und zog erneut eine Zigarette aus dem Etui. Ihr Blick verfing sich im Rückspiegel. Zwei leuchtende Augen näherten sich rasant aus der Ferne. Sie versuchte sich wieder auf die einsame Straße, die vor ihr lag, zu konzentrieren. Im Dunkeln zu fahren, war ihr unangenehm. Sie hasste es.
Die heranbrausenden Scheinwerfer ließen ihr keine Ruhe. Immer näher und näher kamen sie. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus. Die beginnende Panik umklammerte ihr Herz. „Das würde er nie tun. Er ist zwar ein fieses Schwein, aber er ist kein Mörder, versuchte sie sich zu beruhigen. Unaufhaltsam näherte sich der Wagen. Schließlich war es so nahe, dass sie den Eindruck hatte, es würde sie rammen. Ein kalter Schweißfilm lag auf ihrer Stirn. Sie trat auf das Gaspedal, wollte entkommen. Plötzlich scherte der andere Wagen aus und zog auf die Gegenspur. Sie hielt den Atem an, als er überholte. Krampfhaft umschlossen ihre Hände das Steuer. Dicht vor ihr scherte das Auto wieder ein. Plötzlich leuchteten die Bremslichter auf. Das grelle Rot schmerzte in ihren Augen. Sie trat auf die Bremse und riss das Steuer herum. Das Quietschen der Reifen klang wie die Schmerzensschreie eines waidwunden Tieres. Plötzlich krachte es fürchterlich …

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